Hier wird der Versuch unternommen, die „Erfolgsbilanz“ des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Energie und Landesentwicklung (HMWVEL) zur Lärmminderung am Flughafen Frankfurt einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Nach dem Ende der Legislaturperiode 2018 wird dieser Text überarbeitet und aktualisiert werden.
EINRICHTUNG EINER NEUEN STABSSTELLE FÜR FLUGLÄRMSCHUTZ
Innerhalb der Ende 2014 neu geschaffenen Stabsstelle werden verstärkt innovative Strategien und Konzepte im Bereich des Fluglärmschutzes entwickelt und Einzelmaßnahmen und Instrumente im Bereich des Fluglärmschutzes analysiert und bewertet. Dazu zählt auch die systematische Überprüfung des derzeitigen Flugbetriebs (Lärmmonitorings) auf Lärmminderungsmöglichkeiten. In der Stabsstelle werden alle Aktivitäten und Zuständigkeiten im Bereich Fluglärmschutz einschließlich der Fluglärmschutzbeauftragten für den Flughafen Frankfurt gebündelt.
DT: Bisher hat es in keinem Hessischen Verkehrsministerium eine Stabsstelle zur Fluglärmbekämpfung gegeben.
SPREIZUNG DER LÄRMENTGELTE
Das Prinzip ist ebenso einfach wie wirksam: Laute Flieger müssen für Starts und Landungen in Frankfurt deutlich mehr zahlen als leisere Flugzeuge. Dieser lärmabhängige Anteil an den Start- und Landeentgelten ist mehrfach erhöht worden. Erstmals enthält die Entgeltordnung für das Jahr 2017 zudem finanzielle Anreize für die Fluggesellschaften, ihre Flotte mit moderner satellitengestützter Navigationstechnik (GBAS) aus- bzw. umzurüsten.
DT: Dieses Instrumentarium ist bei weitem noch nicht ausgereizt,
der Anteil für Lärmendgelte sollte bei 30 Prozent der Gebühren liegen.
WEITERE FORSCHUNGSFÖRDERUNG
Die Forschungsförderung, beispielsweise für noch leisere Anflugverfahren beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig, wurde im Forum Flughafen und Region (FFR) fortgesetzt. Dabei geht es insbesondere um lärmärmere Anflugverfahren. Ein Ergebnis solcher Forschung ist der Einsatz von Wirbelgeneratoren, die die Geräuschentwicklung unter den Flügeln der A320-Flotten von z. B. Lufthansa, Condor und Air France maßgeblich reduzieren. Auch der Bodenlärm soll durch den weitgehenden Verzicht auf laufende Flugzeugtriebwerke und den Einsatz von Schleppfahrzeugen und elektrisch angetriebenen Bugrädern reduziert werden.
DT: Wesentlich ist, ob die Forschungsergebnisse auch in die Praxis umgesetzt werden können. Dies wird in vielen Fällen noch mehrere Jahre dauern.
NUTZUNG DES SATELLITENGESTÜTZTEN PRÄZISIONSFLUGVERFAHRENS GBAS (GROUND BASED AUGMENTATION SYSTEM)
Seit Ende März 2017 können auf allen drei Landebahnen Flugzeuge mit Hilfe der GBAS-Technik, die sich auf das GPS-Signal stützt, landen. Sie erlaubt eine präzise dreidimensionale Führung im Luftraum. Damit ist der Frankfurter Flughafen technisch für ein noch exakteres An- und Abfliegen ausgerüstet. Ein wesentlicher Vorteil sind Anflüge mit einem höheren – und damit lärmreduzierten – Gleitwinkel. Auf der Landebahn Nordwest sind diese bereits seit 2014 mit einer herkömmlichen ILS (Funk)Anlage mit 3,2 Grad-Einstellung möglich. Die Fluggesellschaften, die den Frankfurter Flughafen nutzen, haben die Mehrzahl ihrer Flugzeuge noch nicht mit GBAS ausgestattet (Stand April 2017: unter 10%). Durch finanzielle Anreize in der vom HMWEVL genehmigten Flughafen-Entgeltordnung wird sowohl die Nachrüstung als auch die Erstausrüstung bei Neubeschaffung von Flugzeugen unterstützt.
DT: Allerdings kann bisher nur ein kleiner Teil der Flugzeuge das GBAS-Verfahren anwenden, deshalb wird sich erst mittelfristig herausstellen, ob dies zur Lärmreduzierung beiträgt.
REGELBETRIEB EINES NEUEN LÄRMMINDERNDEN ANFLUGVERFAHRENS
Dabei wurden die Flughöhen vor und auf dem ersten Teil des nördlichen Gegenanfluges im Oktober 2014 um rund 1.000 Fuß angehoben. Das sind etwa 300 Meter.
DT: Inwieweit dies zu einer Lärmminderung führt, kann ich nicht beurteilen. Auf jeden Fall ist es nur eine geringfügige Lärmminderung.
ÜBERFÜHRUNG DES ANGEHOBENEN GLEITWINKELS IN DEN REGELBETRIEB
Beim Landen von Flugzeugen auf der Landebahn Nordwest wurden die Gleitwinkel auf 3,2 Grad angehoben. Nach dem erfolgreichen Probebetrieb wurde die lärmmindernde Maßnahme im Dezember 2014 in den Regelbetrieb überführt. Durch das steilere Anfliegen zur Landebahn Nordwest sind die Flugzeuge insgesamt etwas höher über der Bebauung, so dass weniger Lärm am Boden ankommt.
DT: Wie viel Lärmreduzierung dies bringt, kann ich ebenfalls nicht beurteilen. Auch hier ist der Entlastungseffekt minimal.
REGELBETRIEB LÄRMPAUSEN
Seit dem 30. Mai 2016 läuft der Regelbetrieb für siebenstündige Lärmpausen am Frankfurter Flughafen. Tausende Anwohner rund um den Flughafen erhalten bei Westbetrieb (Hauptbetriebsrichtung) dadurch eine zusätzliche Stunde Entlastung – über das bestehende Nachtflugverbot hinaus. Das umfassende Lärmmonitoring durch das FFR hat ergeben, dass die Lärmpausen in der Umsetzung reibungslos funktionieren, die Lärmbelastung messbar gesenkt werden konnte, und eine Mehrheit in der Region hat sich für die Fortführung des Lärmpausen-Modells ausgesprochen.
DT: Ich habe insgesamt nur von vier Bürgern gehört, dass es bei ihnen leiser geworden ist: je ein Bürger aus Bergen-Enkheim, aus Neu-Isenburg, aus Büttelborn und aus Griesheim bei Darmstadt. Wenn die Zahl der Flugbewegungen steigt, lässt sich das Lärmpausen-Modell sowie nicht mehr handhaben.
ERWEITERUNG DER FRANKFURTER FLUGLÄRMKOMMISSION (FLK)
Das HMWEVL hat zusätzliche Städte und Gemeinden in die FLK aufgenommen. Damit stärken wir die Interessen der von Fluglärm betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner. Für die Mitgliedschaft von Städten und Gemeinden ist künftig die Lage im Lärmschutzbereich oder dem so genannten Fluglärm-Indexgebiet maßgeblich, für die Kreise eine Fluglärmbelastungssituation, die auf mehr als 100 Überflügen unter 6000 Fuß im Tagesdurchschnitt aufbaut. Damit gibt es nun erstmals objektive, nachvollziehbare Kriterien für eine Mitgliedschaft in der FLK. Bei der Abstimmung in der Kommission zur neuen Zusammensetzung gab es keine einzige Gegenstimme.
DT: Ist zutreffend. Die FLK Frankfurt ist auch in personeller und finanzieller Hinsicht von allen FLKs in Deutschland am besten ausgestattet.
NORAH-STUDIE: MASSNAHMENPAKET BESCHLOSSEN
Nach der Veröffentlichung des so genannten „Kindermoduls“ der NORAH Lärmwirkungsstudie im November 2014 bietet die Landesregierung den betroffenen Grundschulen individuelle Beratung, weitere Lärmschutzmaßnahmen sowie zusätzliche Leseförderung an. Dabei geht es auch um Möglichkeiten, bestehende Defizite beim Schallschutz an Grundschulen zu beheben.
DT: Dazu sollte ein Erfahrungsbericht angefordert werden, um beurteilen zu können, ob dieses Massnahmenpaket etwas gebracht hat. Was die Gesamt-NORAH-Studie anbetrifft, ist der Bundesgesetzgeber gefordert. Nur durch mehr Schutzrechte in Luftverkehrs- und im Fluglärmschutzgesetz können Lärmminderungsmaßnahmen durchgesetzt werden.
INITIATIVE ZUR ÄNDERUNG DES LUFTVERKEHRSGESETZES
Gemeinsame Bundesrats-Initiative mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur Verbesserung des Fluglärmschutzes. Ziel ist es, dass bei der Festlegung neuer oder wesentlicher Änderungen bestehender Flugrouten
der Lärmschutz stärker berücksichtigt wird. Der Vorstoß wird der Anforderung an eine stärkere Orientierung der An- und Abflüge an Lärmschutzgesichtspunkten gerecht und behält zugleich die Praktikabilität
und Erfordernisse der Luftverkehrswirtschaft im Blick. Außerdem sieht die Initiative vor, eine Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange in Ergänzung zur Fluglärmkommission als Beratungsorgan vorzusehen.
DT: Diese Bundesratsinitiative ist bisher noch nicht verabschiedet worden. Bei der derzeitigen Zusammensetzung des Bundesrates ist auch nicht zu erwarten, dass diese Initiative beschlossen wird.
AUSSENWOHNBEREICHSENTSCHÄDIGUNG VEREINFACHT
Immobilieneigentümer in der Tag-Schutzzone 1 haben nach dem Fluglärmgesetz Anspruch auf Entschädigung für die durch Lärm eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit von Balkonen, Terrassen, Gärten etc. Die Höhe der Entschädigung kann entweder pauschal oder auf Basis des Werts der jeweiligen Immobilie bestimmt werden. Solche Wertgutachten sind jedoch zeitaufwendig und teuer. Das HMWEVL hat sich daher erfolgreich dafür eingesetzt, dass Eigentümer bei der Außenwohnbereichs-Entschädigung auch ein vereinfachtes Verfahren ohne Kostenrisiken für die Eigentümer zur individuellen Wertermittlung nutzen können. Einzelheiten beim Regierungspräsidium Darmstadt > Regionalfonds.
DT: Diese Regelung existiert, werden allerdings nur in begrenztem Umfang in Anspruch genommen. Abschließende Erfahrungen mit dieser Regelung gibt es bisher nicht.
MODELL ZUR EINFÜHRUNG EINER LÄRMOBERGRENZE
Die Einführung einer Lärmobergrenze ist das zentrale strategische Instrument für mehr Lärmschutz in der Region. Das HMWEVL leistet hier Pionierarbeit und hat ein Modell vorgestellt, dass das Rhein-Main-Gebiet vor einem unbegrenzten Anstieg der Belastung durch Fluglärm schützen soll. Das Modell sieht vor, das zukünftig erlaubte Lärmniveau um 1,8 Dezibel gegenüber den im Planfeststellungsbeschluss prognostizierten Werten zu senken. Zum ersten Mal ist damit die Entwicklungsmöglichkeit des Flughafens verknüpft mit der Frage, wie viel Lärm der Flugverkehr macht. Das ist ein Paradigmenwechsel.
DT: LOG ist jetzt eingeführt worden, der Lärm wird nach oben hin begrenzt, aber nicht reduziert. Ob durch weitergehende Maßnahmen eine Lärmreduzierung erreicht werden kann, bleibt abzuwarten.
GENAUERES FLIEGEN
Das Navigationsverfahren RNP (Required Navigation Performance) ermöglicht es entsprechend ausgerüsteten Flugzeugen, sich mit GPS-Unterstützung sehr viel genauer an die vorgegebene Fluglinie zu halten. RNP ist damit ein weiterer Beitrag zur Begrenzung des Fluglärms im Rhein-Main-Gebiet. Anlass für die Einführung des Verfahrens waren regelmäßig auftretende systematische Abweichungen von der Ideallinie der Südumfliegung, die insbesondere in Trebur und Mainz zu
erheblichen zusätzlichen Lärmbelastungen geführt hatten. Diese waren von der Fluglärmschutzbeauftragten des Hessischen
Wirtschaftsministeriums gegenüber den beteiligten Akteuren und dem Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung adressiert worden.
DT: Es ist noch zu früh, um beurteilen zu können, ob dieses Verfahren zu einer Entlastung führen wird.
WEITERE MITTEL FÜR FLUGLÄRMBELASTETE KOMMUNEN ZUR NACHHALTIGEN KOMMUNALENTWICKLUNG
Für besonders stark von Fluglärm belastete Kommunen stellt das Land Hessen bis zum Jahr 2021 weitere 22,5 Millionen Euro bereit. Das sind 4,5 Millionen Euro jährlich. Wir greifen damit erneut den Kommunen mit einem hohen Millionenbetrag unter die Arme, um die negativen Folgen des Fluglärms abzumildern. Und wir lassen ihnen dabei viel Beinfreiheit, wie genau sie das Geld einsetzen möchten. Denn die Kommunen wissen in der Regel selbst am besten, mit welchen Maßnahmen sie ihre Stadt oder ihren Ort attraktiver und lebenswerter machen können. Voraussetzung ist lediglich, dass das Geld zur Abmilderung von Fluglärmfolgen oder zur Verbesserung der Lebensqualität in der Kommune eingesetzt wird.
DT: Der zur Verfügung gestellte Betrag ist zu niedrig und müsste nach dem Verursacherprinzip von der Fraport AG und den Fluggesellschaften gezahlt werden. Auch nach 2021 müssen diese Mittel den betroffenen Kommen weiterhin zur Verfügung stehen.